Staat und Nazis Hand in Hand – Braunschweiger Verhältnisse

Foto der Antifa-Demo am 23.01 in Braunschweig
Quelle: @Dokurechts

Unter dem Vorwand, gegen die verordneten Coronamaßnahmen demonstrieren zu wollen, hatte die faschistische Kleinstpartei „Die Rechte“ mehrere Kundgebungen am 23.01.2021 in Braunschweig angemeldet, die zuletzt auf jeweils eine Kundgebung am Bahnhofsvorplatz und eine Kundgebung auf dem Burgplatz beschränkt wurde. Die Nazis kratzten aus ganz Niedersachsen knapp 40 Leute zusammen. Neben den üblichen Vertreter*innen aus der lokalen Naziszene wie Pierre Bauer, Johannes Welge oder Martin Kiese, fanden sich Nazis aus dem Harzgebiet, Einbeck, Bremen und Südniedersachsen ein.

Das Bündnis gegen Rechts hatte zum Gegenprotest aufgerufen und trotz der coronabedingten Einschränkungen fanden sich über 250 Gegendemonstrant*innen zusammen, um den Nazis klar zu machen, dass sie unerwünscht sind.

Die Nazis zeigten von Anfang an, dass ihr angeblicher Demonstrationsgrund nur vorgeschoben war und es ihnen vor allem um eine „Machtdemonstration“ und Provokation gegenüber den Antifaschist*innen ging. Bereits vor Beginn der ersten Kundgebung gingen die teils stark alkoholisierten Nazis die Presse an und suchten die Konfrontation mit Gegendemonstrant*innen.

Die ganze Veranstaltung wurde von einem völlig überdimensionierten Polizeiaufgebot begleitet. Neben Braunschweiger Bullen wurden u.a. Einheiten aus ganz Niedersachsen eingesetzt. Und diese machten den ganzen Tag über deutlich, dass ihr Schwerpunkt vor allem auf dem Schutz der Naziveranstaltungen und Repression gegen die Antifaschist*innen lag. Nicht verwunderlich, hatte ihr oberster Dienstherr, Innenminister Pistorius von der SPD, doch tags zuvor erneut hufeisenschwingend klar gemacht, womit er im Wahljahr offensichtlich punkten will: Verbot und Kriminalisierung von Antifaschist*innen und ihren Strukturen. Und auch die Braunschweiger SPD folgte dieser Linie sofort, ganz so, als hätte Sie die letzten Jahre die zunehmende Vernetzung und Radikalisierung der Naziszene in dieser Stadt verschlafen.

So war es auch nicht verwunderlich, dass die Bullen permanent damit beschäftigt waren, die Demonstration des Bündnisses gegen Rechts zu drangsalieren. So wurde der Protest von Beginn an eingeschränkt und unter fadenscheinigen Gründen durften die Teilnehmer*innen nicht die gesamte angemeldete Fläche nutzen. Bereits während der ersten Kundgebung deutete Johannes Welge an, dass „mehr durch die Luft fliegen könnte als nur Viren, z.B: Zähne“ und kündigte auch einen „langen ereignissreichen Abend“ an. Trotz dieser unverhohlenen Drohung wurden die Nazis nach ihrer ersten Kundgebung in Kleingruppen zu den Straßenbahnen begleitet, um unbehelligt zu ihrer zweiten Kundgebung am Burgplatz zu gelangen. Die Bündnisdemo in die Innenstadt hingegen wurde eng durch die Bullen „begleitet“. Immer wieder provozierten diese die Antifaschist*innen, schubsten und schlugen Demoteilnehmer*innen und beleidigten diese.

Am Burgplatz angekommen, hatten sich die Nazis bereits in ihrem eingegitterten Bereich eingefunden. Die Demonstration der Antifaschist*innen sah sich einer massiven Überzahl von Bullen gegenüber, teilweise schien das Verhältnis von Bullen vs. Demonstrant*innen 2:1 noch zu überschreiten. Protest in Sicht- und Hörweite der Nazis war anfangs kaum möglich.

Die Bullen gaben sich alle Mühe, den Nazis ein „Wohlfühlerlebnis“ zu ermöglichen – dazu zählte einerseits, Protest in Hör-und Sehweite zu verhindern und offenbar auch, eine kritische Berichterstattung über die Nazis und ihre Veranstaltung zu unterbinden. Mehrere Journalist*innen wurden nicht auf den Burgplatz vorgelassen. Die Pressesprecherin der Bullen war für Journalist*innen zeitweise nicht zu sprechen und diesen wurde trotz Presseausweis vorgeworfen, Teilnehmer der Bündnisdemonstration zu sein und deshalb die Nazidemo nicht dokumentieren zu dürfen. Die Polizei griff währenddessen wiederholt Gegendemonstrant*innen an, es kam zu mindestens einer Ingewahrsamnahme.

Nachdem die Nazis ihre zweite „Kundgebung“ bei der sie vorwiegend schweigend rumstanden, beendet hatten und wieder in der Straßenbahn zum Bahnhof zurück begleitet wurden, eskalierte die Situation dann von Seiten der Faschist*innen: Mehrere Nazis u.a. auch hier wieder Pierre Bauer, versuchten über die Absperrungen hinweg Bündnisdemonstrant*innen und Journalist*innen mit Flaschen zu bewerfen und anzugreifen. Die Polizei reagierte schnell: Allerdings nicht gegen die Faschist*innen sondern gegen die Presse, die das Geschehen dokumentierte. Ein Journalist wurde erst von den Nazis attackiert, nur um danach zusätzlich von den Bullen attackiert, geschlagen und festgenommen zu werden. Nicht die prügelnden Nazis, sondern die angeblich „provozierenden“ Journalist*innen wurden offensichtlich als Problem gesehen.

Nachdem sich die Bündnisdemonstration schließlich aufgelöst hatte, kam es offenbar doch noch zu einer Ingewahrsamnahme von Pierre Bauer durch die Bullen. Das nahmen die Nazis zum Anlaß, noch eine Spontankundgebung durchzuführen. Die Bullen bauten währenddessen bereits seelenruhig ihre Absperrungen ab, reisten teilweise auch schon ab und ließen die Nazis unbehelligt gewähren. Nachdem ihr Feindbild, die Antifaschist*innen, nicht mehr vor Ort waren, sahen sie offenbar keinen Bedarf, die Nazis zu beaufsichtigen.

So von den Bullen verhätschelt, zeigte sich in der Nacht dann auch noch, was Welge Stunden vorher mit dem angedrohten „langen ereignissreichen Abend“ gemeint hatte: der Bulli der Jugendorganisation „die Falken“ wurde zum wiederholten Male von Nazis beschädigt und die Scheiben eingeworfen.

Abschließend lässt sicht zusammenfassen, dass trotz längerer, großmäuliger Mobilisierung und aus ganz Niedersachsen zusammengekratzten Faschist*innen, gelang es den Nazis nicht, eine größere Teilnehmendenzahl zu versammeln. Von ihren Redebeiträgen und Transparenten war durch den lautstarken Protest der Antifaschist*innen nach außen so gut wie nichts wahr zu nehmen. Ein riesiges Bullenaufgebot war vorrangig damit beschäftigt, Antifaschist*innen und Journalisten zu attackieren und die Nazis zu schützen. Ein niedersächsischer Innenminister und eine lokale SPD, die politisch den Nazis in die Hände spielen, indem sie das Märchen von „der kriminellen Antifa“ wiederkauen und versuchen, antifaschistischen Protest in „gut“ und „böse“ zu spalten.

Insgesamt ein kämpferischer Tag, der auch und gerade in diesem Jahr wieder einmal zeigte, dass im Kampf gegen Nazis von diesem Staat nichts zu erwarten ist!

Antifaschismus ist nötig und nicht kriminell!

Wenn ihr Post bzw. eine Vorladung von den Bullen oder Staatsanwaltschaft bekommt, antwortet nicht, sondern meldet euch umgehend bei der Roten Hilfe im Antifacafé! Zusammen planen wir dann das weitere Vorgehen, unterstützen euch bei der Anwaltsuche und organisieren Solidarität!