Bericht vom Prozessauftakt gegen Nazischläger

Am Mittwoch, den 07.12.16, begann der lange erwartete Prozess gegen den mittlerweile stadtbekannten Nazischläger Pierre Bauer aus dem Umfeld der JN Braunschweig. Das Antifaschistische Plenum und das Offene Antifa Treffen (OAT) hatten vorher zur Prozessbeobachtung aufgerufen, und am Mittwochmorgen hatten sich so viele Unterstützer*innen vor dem Gericht eingefunden, dass nicht alle einen der begrenzten Plätze im Gerichtssaal bekamen. Vier verschiedene Fälle wegen schwerer Körperverletzung und Beleidigung werden zunächst vor dem Amtsgericht verhandelt, es sind aber noch weitere Straftaten offen, hauptsächlich wegen Sachbeschädigung.

Quelle: regionalbraunschweig.de

Seit Beginn des Jahres gehört Pierre Bauer zur Braunschweiger Naziszene und ist seitdem immer wieder durch extrem aggressives Verhalten, Drohungen und brutale Übergriffe auf Linke und Andere aufgefallen. Häufig war er dabei in Begleitung des JN-Mitglieds Lasse Richei. Außerdem verbreitete er in der ganzen Stadt Hakenkreuze und andere Nazischmierereien. Trozdem konnte er sich weiterhin frei bewegen, erst im Juli kam er in Untersuchungshaft.

Der erste Vorwurf gegen Bauer ist die Körperverletzung eines Mitarbeiters der Sozialistschen Jugend „Die Falken“ Braunschweig am 09.02.16. Dieser versuchte, Bauer und Richei mit seinem Handy zu fotografieren, nachdem die beiden Nazi-Aufkleber an die Tür des Falkenzentrums am Bohlweg geklebt hatten. Daraufhin rannten die beiden Nazis auf den Mitarbeiter zu, Bauer riss ihn zu Boden und schlug wiederholt auf seinen Kopf ein, obwohl dieser bereits am Boden lag. Der Geschädigte, welcher Nebenkläger im Prozess ist, sagte aus, dass auch Richei ihn geschlagen habe. Er trug mehrere Prellungen, unter anderem am Schädel und Nacken, davon.

Über den zweiten Vorwurf wurde bereits ausführlich in der Presse berichtet. Am 23.02.16 war Bauer in Begleitung von Richei an der Neuen Oberschule, wo eine Gruppe Schüler*innen ihnen sagte, die sollen abhauen. Daraufhin schlug und trat Bauer einem Schüler mit voller Wucht ins Gesicht, so dass dieser einen doppelten Kieferbruch erlitt und mehrere Wochen im Krankenhaus bleiben musste. Auch der Schüler ist Nebenkläger.

Der dritte Vorwurf hatte weniger Erwähnung in der Presse gefunden. Am 07.07.16 waren Bauer und Richei beim Public Viewing des Deutschland-Frankreich-Spiels, wo Bauer einen Mann mit einem Tritt zu Boden brachte und anschließend weiter auf ihn einschlug. Bauers Aussage zufolge waren er und Richei stark alkoholisiert und hätten sich provoziert gefühlt, weil das Opfer „Deutschland verrecke!“ gerufen hätte. Das Opfer sagte jedoch aus, Bauer und Richei hätten Naziparolen gegröhlt und er habe darauf erwidert, dass alle Menschen gleich seien. Bei der anschließenden Ingewahrsamnahme versuchte Bauer, die Polizei mit Kopfnüssen zu verletzen und beleidigte diese.

Der vierte Vorwurf wurde am ersten Prozesstag noch nicht verhandelt. Bauer wird vorgeworfen, bei einer weiteren Ingewahrsamnahme am 19.06.16 Widerstand geleistet und Polizeibeamtinnen und -beamten beleidigt zu haben.

Nachdem Bauer in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde, gab sein Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt Zott, bekannt, dass sein Mandant alle Vorwürfe gestehen würde. Offensichtlich versucht er, das Strafmaß für Bauer möglichst gering zu halten, indem er ihm nicht nur zu einem Geständnis rät, sondern auch dazu, sich bei seinen Opfern zu entschuldigen. Schon im Vorfeld hatte Bauer dem schwer verletzten Schüler einen Brief geschrieben, und auch im Laufe des Prozesses nuschelte er ein paar mal „Tut mir leid“ in Richtung der Geschädigten, was aufgrund seiner völligen Unglaubwürdigkeit aber nur für Gelächter im Publikum sorgte.

Die Anwälte der Nebenklage legten großen Wert darauf, dass die politische Gesinnung des Nazischlägers deutlich wird und im Urteil Berücksichtigung findet. Sie versuchten auch, dem Angeklagten dementsprechende Fragen zu seiner Einstellung und politischen Aktivität zu stellen, was aber von dem Verteidiger komplett abgeblockt wurde. Die Richterin sowie die Staatsanwältin, welche beide eher wenig Interesse an dem gesamten Verfahren zu haben schienen, bestätigten zwar, dass ihnen die politische Einstellung Bauers bewusst sei, legten aber keinen Wert darauf, dies näher zu beleuchten. Stattdessen räumte die Richterin ein, dass Bauer wohl einmal zu Unrecht in Gewahrsam genommen wurde und schien auch sonst Verständnis dafür zu haben, dass er immer wieder in solche Situationen „reinrutsche“. Auch den Zeugen Lasse Richei, Bauers Nazikumpel, nahm sie in Schutz. Nachdem dieser sich offen zu seiner und Bauers „nationalistischen“ Einstellung geäußert hatte (im Wartebereich sprach er noch von Nationalsozialismus), wies sie ihn mehrmals darauf hin, dass er sich nicht selbst belasten müsse und sie „ihn da nicht mit reinziehen“ wolle. Fragen des Anwalts der Nebenklage zu Richeis Beteiligung am Übergriff an der NO wies sie zurück mit der Begründung, Richei habe ja anscheinend gar nichts gemacht und sei ja auch noch so jung (er ist 18). Insgesamt widersprachen Richeis Aussagen denen aller anderen Zeug*innen und teilweise auch denen Bauers. Außerdem behauptete er, Bauer sei Opfer und kein Täter und er habe ihn sonst nie Gewalt ausüben sehen, was vom Publikum ebenfalls mit Gelächter bedacht wurde. Der Verteidiger schlug allerdings in die selbe Kerbe. Er versuchte es so aussehen zu lassen, als sei Bauer provoziert worden und stellte die These auf, sein Mandant wäre eine „Zielscheibe der linken Szene“ und müsse in Angst leben.

Am Mittwoch den 21.12.16 wird der Prozess fortgeführt. An diesem Tag wird der sachverständige Psychiater seine Einschätzung zu Pierre Bauers Person abgeben und das Gericht will ein Urteil fällen. Kommt auch zu diesem Termin zahlreich, denn es ist nach wie vor wichtig, die Opfer von rechter Gewalt nicht alleine zu lassen und bei Prozessen gegen Nazis eine kritische Öffentlichkeit zu stellen!

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