Antifaschismus und Antikapitalismus?!

Im folgenden findet ihr unseren Beitrag zur Broschüre „Eine andere Welt ist nötig! Gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft!“, die die DGB-Jugend Braunschweig zum diesjährigen 1. Mai herausgebracht hat. Die Broschüre könnt ihr hier als PDF runterladen.

„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“
Max Horkheimer, 1939

Nach dem Auffliegen der faschistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ist Antifaschismus in aller Munde. Selbst die aktuelle Landesregierung unter Rot-Grün schreibt in ihrem Koalitionsvertrag davon, dass sie für „Antifaschismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen“ eintrete. Das verwundert doch ein wenig und so soll an dieser Stelle mal ein wenig geklärt werden, was Antifaschismus tatsächlich bedeutet.

Nazis+Geheimdienste=noch mehr Naziterror

Nahezu täglich kommt mehr und mehr ans Tageslicht, wie sehr Geheimdienste und Polizeibehörden darin verstrickt waren, den NSU überhaupt möglich zu machen. Zehn Menschen konnte diese Gruppe seit 2006 ermorden- hauptsächlich MigrantInnen. Dazu kommen Anschläge und Banküberfälle. Immer mehr zeigt sich, dass dieser Staat keine Fehler oder Versäumnisse gemacht hat, sondern der NSU schlicht das konsequente Ergebnis der jahrelangen Förderung von Nazistrukturen durch die Geheimdienste und den Staat darstellt. Die Praxis des Anwerbens von Informanten durch den Verfassungsschutz (VS) bei den Faschisten ist nun seit einiger Zeit in der Diskussion und hat vor allem eins deutlich gemacht: jahrelang wurden Millionen an Geheimdienstgeldern an Nazis gezahlt, damit diese, so wird offiziell gesagt, Infos über die Naziszene ausspucken. Diese Gelder wurden durch die angeworbenen Informanten fleißig in den Ausbau aktueller und den Aufbau neuer Nazistrukturen gesteckt. Wenn der Staat die Nazis mit Geld bewirft und mit Gerichten und Polizei dafür sorgt, dass ihnen der Weg auf der Strasse freigekloppt wird, ist eine Entwicklung hin zum staatlich finanzierten und vertuschten Naziterrorismus nur folgerichtig. Die jetzt einsetzende Mär von „Fehlern“ der Geheimdienste hat nur einen Zweck: ablenken vom bisherigen, wohlwollenden Umgang mit Nazis und die Reformierung und Stärkung der Geheimdienste und deren Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden.

Die Ermittlungen der Behörden und die Begleitung der NSU-Morde durch die Medien unter dem Schlagwort „Dönermorde“ offenbaren unterdessen den tief verwurzelten Rassismus in Staat und Gesellschaft. Obwohl es stellenweise in Betracht gezogen wurde, dass Faschisten für die Morde verantwortlich sind, wurden Ermittlungsansätze in diese Richtung nie eingehender verfolgt. Und alle waren damit zufrieden. Niemand außer den Angehörigen und FreundInnen der Ermordeten ahnten, oder wollten ahnen, dass hier faschistischer Terror vertuscht wird.

Ein Blick zurück ist ein Blick nach vorn

Faschismus fällt nicht vom Himmel. Es ist auch kein Sammelbegriff für jedes irgendwie autoritär oder unterdrückerisch funktionierende System. Es hat seine Gründe, warum dieser Begriff erst im Laufe des Kapitalismus aufkam. Als Faschisten bezeichneten sich die 1919 gegründeten „Fasci Italiani di Combattimento“ („Italienische Kampfbünde“) in Italien unter Bennito Mussolini. Sie propagierten einen vermeintlichen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Es war letztlich die erste Bewegung, die mit ihrem Gerede immer wieder gegen den Kapitalismus agitierte, aber nie das Ziel hatte, diesen abzuschaffen. Ihnen schwebte ein „korporatives“ Modell vor, bei dem gesellschaftliche Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben sollten. In Kombination mit dem ausgeprägten und aggressiven Nationalismus der italienischen Faschisten dürfte klar sein, dass das „Teilhaben“ nur teilweise für alle galt. Vorwiegend KommunistInnen und die organisierte ArbeiterInnenbewegung wurden in ihren Zielen als Feinde betrachtet, auf das Schärfste bekämpft und mit Terror überzogen. KommunistInnen analysieren den Kapitalismus als eine Klassengesellschaft, in der sich die Klasse der Ausgebeuteten und die Klasse der Ausbeuter gegenüberstehen. Die den Kapitalismus bedingende Profitlogik steht dem Fortschritt und der Entwicklung jedes und jeder Einzelnen und somit der Menschheit als Ganzes im Wege.Der Kapitalismus geht, damals wie heute, täglich für diese Logik über die Leichen von Millionen, w enn die Kasse stimmt. Er muss ersetzt werden durch ein System, das sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Ein solches System kann nur gemeinsam, weltweit und von den Ausgebeuteten selbst gegen den Kapitalismus und seine zerstörerischen Kräfte erkämpft werden. Faschisten haben aufgrund ihres Nationalismus dagegen ein starke, geeinte Nation als Ziel, die, wenn schon nicht international dann wenigstens regional, auf wirtschaftlichem, militärischen und kulturellem Gebiet tonangebend ist und allen Anderen mal zeigt wo es langgeht. Natürlich entwickeln nur jene Menschen solche Vormachtsträumereien, die diesbezüglich das Gefühl haben, zu kurz gekommen zu sein. Um eben wieder zu dem zu werden was man mal war bzw. glaubt, mal gewesen zu sein oder dort mitmischen zu können, wo andere Nationen um Rohstoffe, Märkte und Vormachtsstellungen konkurrieren, müssen sich alle in der zusammengeschraubten
nationalen Gemeinschaft mal zusammenreißen, die eigenen Gefühle, Träume und Wünsche hinten anstellen (oder am besten ganz vergessen) und mitanpacken. Wer sich nicht unterordnen und aufgeben kann, weil er/sie von vornherein durch die faschistische Ideologie ausgeschlossen wurden, wie Jüdinnen und Juden, Schwule, Lesben und alle anderen, die aus der heterosexuellen Norm fallen, körperlich oder geistig Behinderte und viele andere, wird diskriminiert, verfolgt, eingesperrt, deportiert oder ermordet. Wer sich nicht unterordnen und aufgeben will, weil er/sie eine andere Vorstellung vom Leben hat, wie KommunistInnen, GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen, AnarchistInnen, FeministInnen, etc., muss mit dem gleichen Schicksal rechnen. Wesentliche Punkte, die die faschistische Ideologie seither ausmachen sind der Nationalismus, Militarismus, Antikommunismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Obrigkeitshörigkeit, Elitendenken und so einiges mehr. All das wurde durch die Faschisten nicht erfunden. Teils Jahrhunderte alt und in der „Moderne“ immer wieder neu aufgelegt, bilden diese Ideologien den Nährboden, auf dem der Faschismus gedeihen kann. Dieser Boden wird jeden Tag aufs Neue durch den Konkurrenzdruck des Kapitalismus und den bürgerlichen Staat gedüngt. Die Debatten um die rassistischen Thesen von Sarrazzin, die Diskussionen um Sexismus bei Politikern, siehe FDP-Brüderle, und in der Gesellschaft, siehe die Grabscher und Pro7-Stars Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf oder die Nutzung von Schulen, Unis, Bildungsmessen, Arbeitsämtern, öffentlichen Plätzen als Rekrutierungsstellen der Bundeswehr zeigen sehr deutlich, dass hier viel Mist mittlerweile als „normal“ schulterzuckend
hingenommen oder gar wohlwollend aufgenommen wird. Faschisten setzen genau hier an, vereinen und brutalisieren diese Ideologien bis zu ihrer mörderischen Konsequenz.

Faschismus ist Krisenpolitik der herrschenden Klasse

Große Teile der herrschende Klasse hatten damals keine Probleme mit solchen Visionen von einer „neuen“ Gesellschaft. Wieso auch? Die Faschisten wollten, weder damals noch heute, das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufheben oder hatten sonstwie vor, dass die ArbeiterInnen selbst die Kontrolle der Produktionsmittel kontrollieren würden. Vielmehr treten die Faschisten ja eben dafür ein, dass genau das nicht passiert. In ihrer Fixierung auf Führerpersonen und Eliten können sie sich gar nicht vorstellen, dass die Massen selbst in der Lage sind, sich zu organisieren, zu denken und zu handeln, ohne dass ihnen jemand von oben herab sagt, was sie zu denken und zu tun haben. Weil sie also mit dem Versprechen antreten, mit dem ganzen Chaos von Klassenkampf und Unruhe in den kapitalistischen Zentren mal so richtig aufzuräumen, sind sie im Sinne der herrschenden Klasse keine Gegner, sondern (potentielle)Bündnispartner. In Krisenzeiten wird auf die Option faschistischen Terrors gegen Aufstands- und Umbruchsstimmung in der Bevölkerung gerne zurückgegriffen. Das historisch beste Beispiel ist der Aufstieg der Nazis in Deutschland. Sie traten als entschiedenste Gegner der revolutionären ArbeiterInnenbewegung auf und ihr Gerede gegen „das Großkapital“ (wohlgemerkt:„das Großkapital“, das Kapital an sich bzw. das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital, der Kapitalismus an sich war für die Nazis nie das Problem) brachten ihr in der Weltwirtschaftskrise enormen Zulauf. Diese Mischung aus Verankerung in der Bevölkerung und der Terror gegen die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung machte sie als Bündnispartner für die herrschende Klasse interessant. Seit dem zweiten Weltkrieg haben die kapitalistischen Staaten, die sich einen demokratischen Anstrich geben, immer wieder faschistische Staaten unterstützt. Als Beispiele seien hier u.a. die guten Beziehungen der BRD nach Spanien unter Franco von 1939 bis 1975 oder die guten Beziehungen nach Chile unter Pinochet 1973 bis 1989 genannt. Das aktuelle Beispiel ist das heutige Griechenland wo die faschistische Partei „Goldene Morgendämmerung“ in wenigen Monaten von einer unbedeutenden Kleinstpartei zur drittstärksten Partei im griechischen Parlament werden konnte. Ihr Terror auf der Straße
richtet sich nicht gegen Polizei, Staat und Kapital, sondern gegen die ohnehin schon rassistisch Ausgegrenzten. Mehr noch, gemeinsam mit der Polizei werden nicht-GriechInnen verfolgt und ermordet. Das hilft zwar nicht gegen die Verschärfungen des Kapitalismus aber man kann sich als „Macher“ inszenieren und kanalisiert die Ängste vor diesem Scheissystem in Bahnen, die für die herrschende Klasse ungefährlich sind. Und die revolutionären Kräfte haben das Problem, dass sie sich nicht mehr nur gegen die Bullen wehren müssen, sondern auch noch gegen die faschistischen Terrorgruppen und ein immer stärker um sich greifenden Rassismus und Nationalismus, der die Menschen spaltet und gegeneinander hetzt. Mittlerweile kann die „Goldene Morgenröte“ von einer Massenbasis in der Bevölkerung ausgehen und die bürgerlichen Parteien scheinen darin keine wirkliche Gefahr zu sehen. Im Gegenteil scheinen Teile
des Staatsapparates sich über den „Tatendrang“ der Faschisten zu freuen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der häufig zu beobachtenden Zusammenarbeit
zwischen Mitgliedern der „Goldenen Morgenröte“ und der Polizei. Auch die nicht stattfindende Strafverfolgung gegen die Faschisten spricht Bände. Derweil reibt sich das Kapital die Hände, weil die Löhne weiter sinken, Arbeitsplätze prekarisiert werden und die Rechte der ArbeiterInnen weiter eingeschränkt werden.

Ein Fazit
Aus dem vorangegangenen ergeben sich so einige Eckpunkte dessen was Antifaschismus ist. Antifaschismus ohne Antikapitalismus ist kein Antifaschismus. Ohne die Analyse und Benennung der Ursachen zu seinem Entstehen und Wirken kann kein effektiver Kampf gegen faschistische Umtriebe geführt werden. Faschismus ist die Option der Aufstandsbekämpfung in Krisenzeiten, wenn die bürgerliche Demokratie nicht mehr in der Lage ist, den notwendigen Rahmen
zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Wahnsinns zu stellen. Aus dieser Erkenntnis heraus ist auch kein Vertrauen auf diesen Staat des Kapitals möglich oder sinnvoll. Die historischen und tagespolitischen Ereignisse beweisen, dass der bürgerliche Staat die Faschisten stützt, bezahlt und gegebenenfalls hofiert. Im günstigsten Fall werden sie eine gewisse Zeit an der kurzen Leine gehalten, was ihnen und der Öffentlichkeit durch Partei- und Organisationsverbote deutlich gemacht wird. Bekannterweise führt das lediglich zu Umstrukturierungen bei den Faschisten. Der Faschismus ist aufgrund seines Klassencharakters zwischen diesen Polen der Gängelung und Hofierung durch die herrschende Klasse gefangen und nur dann in der Lage an die Macht zu kommen, wenn dies im Bündnis mit der Bourgeosie geschieht. Sie offenbaren, dass die Situation der ausgebeuteten Lohnabhängigen ihnen am Arsch vorbeigeht, da sie als Antwort auf die Verschärfungen dieses Systems die Entsolidarisierung, die Spaltung entlang von Hautfarbe und Herkunft, der Lohnabhängigen anbieten. Davon lässt sich sicher kein Kapitalist beeindrucken.

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