Jedes Jahr aufs neue wird uns ein angemessenes Gedenken an die Opfer des Holocausts an der Gedenkstätte Schillstraße verunmöglicht und die Zustände werden in jedem Jahr schlimmer. Der 27. Januar ist der Tag an dem die Rote Armee die Konzentrations- und Vernichtungslager in Auschwitz befreite. Ein Jahrestag also, der zum Gedenken und Nachdenken aufruft. Nachdenken, aus der Vergangenheit lernen, sich organisieren, aktiv werden und weiter gegen Nazis kämpfen.
Die Gedenkstätte Schillstraße ist von Antifaschist*innen erkämpft worden, nachdem der Abriss des nationalistischen Soldatendenkmals auf demselben Grundstück vergeblich gefordert worden war. Sich eine Gedenkstätte an die Opfer des Naziregimes mit einem solchen „Denkmal“ zu teilen ist bereits unzumutbar. Dass nun aber seit Jahren schon die AfD das Gedenken am 27. Januar stört und dort anwesende Antifaschist*innen provoziert und bedroht, ist absolut untragbar. Die Versuche, die Nazis vor Ort abzuwehren, hatten immer wieder Repressionen zur Folge, denn auch an diesem Tag sind sich Bullen nicht zu schade, Genoss*innen zu verfolgen und zu kriminalisieren.
Der Arbeitskreis andere Geschichte, welcher die Gedenkstätte verwaltet, hat dies mit angesehen – Jahr für Jahr und sah dennoch keine Notwendigkeit an diesem unhaltbaren Zuständen etwas zu ändern. Erst auf mehrfaches Drängen des Bündnis gegen Rechts fassten sie den einzigen Entschluss, den sie sich scheinbar in der Lage sahen zu treffen: Sie änderten die Hausordnung, sodass „einschlägige Rechtsextremisten“ vom Hausrecht ausgeschlossen werden können. Dass dies, rechtlich gesehen, nicht auf die Nazis der AfD zutrifft, war ihnen voll und ganz bewusst. Es handelt sich um eine symbolische Geste, auf den öffentlichen Druck hin, nicht gänzlich untätig gewesen zu sein. Ein eigener politischer Wille, sich zu Wehr zu setzen, ist an keiner Stelle zu sehen. Ganz im Gegenteil: Jahr für Jahr „gedenken“ sie gemeinsam mit Nazis, verursachen Spaltung und verdrängen dadurch immer mehr Antifaschist*innen von der Gedenkstätte.
Als letzte Lösung, um sich nicht weiter spalten zu lassen und ein Gedenken für Antifaschist*innen zu ermöglichen, haben wir gemeinsam mit dem BgR einen anderen Weg eingeschlagen: Anstatt am städtischen Gedenken teilzunehmen, organisierte das BgR in diesem Jahr eine eigene Gedenkveranstaltung, sowie es die Falken bereits es im letzten Jahr getan hatten. Aber auch dieser Versuch, dem Arbeitskreis andere Geschichte eine Möglichkeit aufzuzeigen, Teil eines würdigen Gedenkens zu sein, scheiterte erneut. Die Auflagen, die die Gedenkstätte von sich aus stellte waren: Keine Konkurrenzveranstaltung zur Stadt, keine öffentliche Bewerbung und ein ausschließlich „stilles Gedenken“ ohne Redebeiträge. Die Mitteilung dahinter ist unmissverständlich: Ein heimliches Gedenken, von dem niemand weiß, dass kein Aufsehen erregt und wo man selbst keine Position beziehen muss, das ist der Rahmen, den sich der Arbeitskreis andere Geschichte gerade noch vorstellen kann.
Nicht mit uns! Wir überlassen weder dem Arbeitskreis andere Geschichte noch irgendwem anders die Deutungshoheit über unser Gedenken.
Auch im letzten Jahr hat es bereits eine massive Bedrängung durch Bullen gegeben, um das Gedenken zu stören und Antifaschist*innen einzuschüchtern. Es wurden Personalien aufgenommen und die Veranstaltung musste abgebrochen werden. In der Folge waren es in diesem Jahr nur noch das Antifaschistische Plenum und das Offene Antifatreffen, die trotz des wenige Tage zuvor geäußerten Redeverbots vonseiten der Gedenkstätte, drei Redebeiträge vorbereitet hatten und entschlossen hielten. Diesen Schritt halten wir für politisch richtig. Sich am 80ten Jahrestag der Befreiung von Auschwitz mundtot machen zu lassen, ist für uns absolut ausgeschlossen. Dass diese Maßnahme von einer Stelle getroffen wird, deren Aufgabe es ist, über Faschismus aufzuklären, ist ein Skandal!
Bereits während des ersten Redebeitrags waren die Bullen auf den Plan gerufen und versuchten Minuten später Antifaschist*innen zu bedrängen und zu bequatschen. Sofort wurde Verstärkung angefordert. Durch die wachsende Bedrohungslage fühlten sich einige Teilnehmer*innen zur Abreise gezwungen, was ihnen nicht gelang ohne von Bullen verfolgt zu werden. Das Ende der Veranstaltung lag in Blaulicht, während die Bullen Antifaschist*innen durch das Viertel hetzen. Wenn diese Szenen zwar wiedereinmal die Gedenkveranstaltung gestört haben, können sie doch wenigstens zum Nachdenken anregen:
Es liegt an uns allen, die zukünftigen Gedenken nicht leise und alleine im Keller verbringen zu müssen.
Erinnern heißt Kämpfen!
Nie wieder Faschismus!